Die Qual mit der Wahl

Bei der sogenannten “Schlussrunde” in der ARD durften zwei Journalistendarsteller — Theo Koll vom ZDF und Tina Hassel, Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, — sieben der dreiundfünfzig antretenden Parteien abermals zu Wort kommen lassen.

Hauptsächlich handelte es sich dann auch um Phrasendrescherei in Spielfilmlänge mit Vorgabe der jeweiligen Denk- und Argumentationsrahmen (Framing) die dann auch ausschließlich den aktuellen Regierungsparteien, sowie den Grünen, in die Hände spielten. Die insgesamt neoliberale bzw. wirtschaftsliberale Ausrichtung spielte zwar insgesamt auch Christian Lindner von der FDP in die Hände und eigentlich ja auch der nicht weniger neoliberalen Alice Weidel von der AfD, aber auch Herr Lindner bekam das Framing zu spüren, als man in der Fragestellung sinngemäß vorgab “Innovationen allein werden es auch nicht reißen können und seien ja ohnehin nicht planbar, also …”. Er versuchte diesem Argument logischerweise mit seiner Sicht zu begegnen, daß Innovation aus Sicht der FDP durchaus ein probates Mittel seien den Klimawandel zu stemmen usw. Frau Weidel wiederum war bemüht — vermutlich entsprechend der Wünsche ihrer Parteiklientel — Zuwanderung als problematisch darzustellen und vergeudete damit Redezeit.

Insgesamt bleibt zu konstatieren, daß es eben gerade durch den vorgegebenen Argumentationsrahmen den Teilnehmern der AfD, FDP und Linken in unterschiedlichem Maße schwerer gemacht wurde als den anderen. Das hat einfach damit zu tun, daß bspw. eine Janine Wissler grundlegend andere Positionen erklären muß, die durch den zuvor etablierten Denk- und Argumentationsrahmen ohne dessen vorherige Ausweitung nicht argumentierbar sind. Dadurch war absolut keine Gleichbehandlung der Teilnehmer gegeben. Die Aufschläge der sogenannten Journalisten waren jeweils Vorlagen für die Fraktion “weiter so”.

Söder malte wiederum das rote Schreckgespenst einer möglichen rot-rot-grünen Regierung an die Wand. So erwartbar wie idiotisch. Fast schon sympathisch — wenn auch einschläfernd — war jedoch bspw. die Argumentation von Olaf Scholz daß man zwar als Regierungsmitglied mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren könne, die Personenschützer in den gepanzerten Limousinen dann aber eben doch nicht klimaneutral seien.

Negativ fiel aber insbesondere Frau Hassel auf. Herr Koll stand ihr allerdings nur wenig nach. Frau Hassel ist schon in der Vergangenheit immer wieder mit “Berichten” aufgefallen in denen sie unverblümt Meinung und Nachricht vermischte oder tendenziöse Begriffe verwandte. Wenn aber eine sogenannte Journalistin bei Fragen an Teilnehmer aus aktuellen Regierungsparteien Vorlagen gibt in den vorab Wertungen der ach so neutral gefragten Positionen — in deren Sinn — vornimmt, stinkt das zum Himmel. Sie trat auch mehrfach argumentativ bei Frau Wissler hinterher, nachdem sie diese die vorher abgewürgt hatte. Frau Weidel — die bei mir sicher keine Sympathiepunkte bekommt — wurde an einer Stelle recht rüde und wertend von Frau Hassel unterbrochen; sie möge — sinngemäß — nicht das AfD-Parteiprogramm herunterbeten. Mit den anderen Diskussionsteilnehmern war derlei Umgang nicht zu beobachten.

Alles in allem hat der ÖRR wieder einmal bewiesen, daß Pluralismus nur in einem gewissen Denkrahmen erlaubt ist. Das paßt zu Noam Chomskys Aussage aus den 1990ern (eigene Übersetzung, Original u.a. hier):

Die kluge Vorgehensweise Menschen passiv und gehorsam zu halten, ist es das Spektrum geduldeter Meinungen strikt zu beschränken, aber eine angeregte Debatte innerhalb dieses Spektrums zu erlauben — mithin jene eher (regierungs)kritischen Ansichten zu fördern. Dies gibt den Menschen das Gefühl es gäbe freies Denken, während ständig die gesetzten Annahmen des Systems durch die abgesteckten Grenzen der Debatte bestärkt werden.

Auftrag erfüllt, liebe ARD und liebes ZDF! Bravo.

// Oliver

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