Samstag, 15. März 2014, 22:45 deutscher Ortszeit. Claus Kleber leitet das heute-Journal mit folgenden Worten ein:
Morgen wird ein Schicksalstag für die Ukrainer; mindestens auf der Krim. Ein Wahltag wird es nicht. Sie haben keine Wahl. Die Bevölkerung der strategisch wichtigen Halbinsel soll ja angeblich ja oder nein sagen dürfen zur Abtrennung von der Ukraine und Anschluß an Russland. Aber diese Option gibt es gar nicht. Der Stimmzettel bietet nur Anschluß sofort oder eine völlige Unabhängigkeit der Krim. Weiter wie bisher – Teil der Ukraine sein – ist nicht vorgesehen. Und damit ist der Ausgang morgen schon klar.
So so, liebe heute-Redaktion. Entweder hat euch Anne Gellinek veräppelt, was ich mal nicht annehme, oder ihr habt euch mit dem Rest der Kriegstreiber vereint um weiter zu zündeln. Neutral ist diese “Berichterstattung” keinesfalls mehr zu nennen.
Die Fragen welche zur Abstimmung gehörten (mit eigener Übersetzung):
- Вы за воссоединение Крыма с Россией на правах субъекта Российской Федерации?
Übersetzung: Sind Sie für eine Wiedervereinigung der Krim mit Russland im Verhältnis eines Subjektes der russischen Föderation ?
- Вы за восстановление действия Конституции Республики Крым 1992 года и за статус Крыма как части Украины?
Übersetzung: Sind Sie für die Wiederherstellung der Gültigkeit der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für den Status der Krim als Teil der Ukraine ?
Hier ein Link zum russischen Artikel in der Wikipedia und hier einer zum deutschen Artikel. Meine Übersetzung scheint laut der Kontrollübersetzung des deutschen Wikipedia-Artikels (Permalink) nicht allzu weit hergeholt zu sein.
- Sind Sie für eine Wiedervereinigung der Krim mit Russland mit den Rechten eines Subjekts der Russischen Föderation?
- Sind Sie für eine Wiederherstellung der Gültigkeit der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für einen Status der Krim als Teil der Ukraine?
Für mich als besorgten Beobachter mit Bezug zur Ukraine steht doch da tatsächlich etwas anderes als Herr Kleber “berichtet”. Wie kommt’s?
Aber erst einmal … warum überhaupt Wiedervereinigung? Nunja, die Krim war spätestens seit dem 18. Jahrhundert Teil des russischen Reiches und wurde erst durch Nikita Chruschtschow, selbst halb Ukrainer, in einer symbolischen Geste innerhalb der Sowjetunion 1954 der ukrainischen Teilrepublik zugesprochen. Im Kontext der Sowjetunion eine absolut unproblematische Entscheidung. Nach dem Zerfall jedoch hochproblematisch.
Die Krim bekam dann auch innerhalb der Ukraine nach 1991 den Status einer autonomen Republik Krim, deren Autonomierechte aber scheibchenweise und einseitig durch die Kiewer Regierung nach 1992 beschnitten wurden. Der Verweis auf die “Republik Krim” als Teil der Ukraine unter den Bedingungen von 1992 ist somit keinesfalls wie grob falsch “berichtet” als eine Abspaltung von der Ukraine zu sehen, sondern vielmehr als eine Wiederherstellung der ehemals garantierten Autonomierechte.
Diese unneutrale Konfliktzündelei für welche deutsche Gebührenzahler auch noch per Haushaltsabgabe zur Kasse gebeten werden hat mit dem ursprünglichen Auftrag des sogenannten öffentlich-rechtlichen Rundfunks, richtiger der Regierungssender, nur noch wenig zu tun.
Im oben zitierten deutschen Wikipedia-Artikel steht allerdings anmerkend nach den Übersetzungen der beiden Wahlmöglichkeiten – auch das sei hier noch erwähnt – ganz unneutral :
Ob die Halbinsel bei einer Rückkehr zur Verfassung von 1992 unabhängig bliebe, oder ob es nur um eine Ausweitung der Autonomierechte bei Verbleib im ukrainischen Staatsverband ginge, geht aus den Fragen des Referendums nicht hervor. Eine Optionsmöglichkeit für das Verbleiben in der Ukraine ohne Wiederherstellung der Verfassung von 1992 – also für den Status quo vor Beginn der Krise – ist nicht vorgesehen.
Es stehen eben gerade die Wiederherstellung der Verfassung von 1992 und damit einhergehend die damaligen Autonomierechte im ukrainischen Staatsverband zur Wahl. Was allerdings nicht zur Wahl steht ist die Rückkehr zu besagten Status quo welcher durch die besagte scheibchenweise Beschneidung der Autonomierechte der Republik Krim nach 1992 entstanden war. Was genau ist an “als Teil der Ukraine” mißzuverstehen?
Im heute-Journal vom Sonntag zog sich dann Herr Kleber halbwegs aus der Affäre indem er im Hinblick auf die Bevölkerung der Krim meinte:
[…] das konnte sie auch gar nicht anders; unverändert weiter zur Ukraine gehören stand nicht (ein)mal als Option auf dem Stimmzettel.
Wohlgemerkt, das Schlüsselwort hier ist unverändert, während dem gebührenzahlenden Zuschauer nach wie vor vorgegaukelt wird es habe allein die Option der Abspaltung gegeben – was nun einmal einfach unwahr ist.
// Oliver