“Demokratie” nennt sich die heutige Herrschaftsform, die interessanterweise nicht vom Volke ausgeht, wie es überall auf den Etiketten steht und wie der Name suggeriert, sondern von sogenannten “Demokraten”. “Demokraten” wiederum sind die Mitglieder und Eliten der von sich selbst so genannten “Volksparteien” (bspw. CDU, CSU, SPD …), die die Deutungshoheit über das Wort “Demokrat” als auch über das Wort “Demokratie” für sich beanspruchen. Alle, die die aktuelle Gesellschaftsform, welche im Grundgesetz festgeschrieben ist, ablehnen oder auch nur ab und an kritisieren, gehören schonmal nicht zu den “Demokraten” bzw. zu den “demokratischen Parteien”. Die gehören zum Rand der Gesellschaft, den Extremisten, Radikalen und so weiter. Da kann das Volk noch so sehr NPD oder LINKE wählen, “demokratisch” werden diese Parteien deshalb noch lange nicht.
“Demokraten” sind nämlich nur die Parteien “der Mitte”. Dort in der “Mitte” herrscht nicht nur Gedränge sondern eben auch Mittelmäßigkeit – aber die vom Feinsten. Da drängeln sich SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP so mittig wie nur möglich zu erscheinen, damit man ja bei niemandem aneckt, wenn es alle vier Jahre darum geht dem WahlviehWahlvolk seine Stimmen gegen teure Versprechen abzufeilschen.
Danach heißt es dann, man möge Politiker doch bitte nicht an Wahlversprechen messen, oder einfacher: “Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?” … die (Vor-)Wahlgeschenke dürft ihr behalten. Stimmt, warum sollte sich der Etikettenschwindel einzig auf die “Demokratie” beschränken. Worte und Phrasen kann man doch verbiegen. Nicht umsonst erzählen uns die Schwarzgelben etwas vom “bürgerlichen Lager” und von den “Leistungsträgern der Gesellschaft”. Wobei, wie das bei “Neues aus der Anstalt” von Georg Schramm so süffisant bemerkt wurde (sinngemäß, nicht wörtlich): “Wenn Sie nichts auf dem Konto haben, gehören Sie auch nicht zu den Leistungsträgern”. Während man nach wie vor von “Arbeitslosen” statt “Erwerbslosen” redet, geradeso als würden diese Menschen tagtäglich nur noch auf dem Sofa lümmeln, sinken die Arbeitslosenzahlen durch Mogeleien mit dem Begriff “arbeitslos”. Prekäre Arbeitsverhältnisse wie die sogenannten “1-Euro-Jobs” fallen so bequem aus der Statistik und trotz steigender Armut kann sich die Regierung mit “sinkenden Arbeitslosenzahlen” brüsten.
“Bürgerlich” ist als Begriff ebenfalls mächtig abgegriffen. Es reicht nicht Staatsangehöriger, also “Bürger”, zu sein um sich zum “bürgerlichen Lager” zu zählen. Da hat wohl jemand die Übersetzung von “Bourgeoisie” (frz. für “Bürgertum”) bei Marx zu wörtlich genommen. Als “Kleinbürger” braucht man sich jedenfalls kaum zu wundern, wenn die Schwarzgelben nicht die eigenen Interessen vertreten. Aber darum geht es ja heute nicht mehr. Heute geht es nur noch um Kandidaten, deren Aussehen und ob sie sich artikulieren können. Schön, wenn da ein Adliger Wirtschaftsminister wird, denn er kann so schön reden und sieht eben auch noch schnieke aus. Da kann dann ein Olaf Scholz – dem die Haare leider schwinden, so er sie sich nicht ob des “Regierungskurses” einzeln ausreißt – leider nicht mehr mithalten. Und wenn man sich die billige “Gerhard Schröder”-Imitation anguckt, bekommt sogar das ständig übermüdete Gesicht von Angela Merkel ein gewisses Sexappeal, zumal die im Gegensatz zu Frank-Walter noch “zwei andere Argumente” hat – wie uns Vera Lengsfeld unlängst erinnerte.
Dennoch – oder gerade deshalb? – wählen viele Wähler nachweislich falsch, wenn man die Meinung zu Fragen wie dem Afghanistaneinsatz, Atomausstieg oder bundesweiter Volksabstimmung mit dem Wahlverhalten (und den Wahlprogrammen der Parteien) vergleicht.
Na dann Prost Wahlzeit. Der Wahlzirkus ist schon lange eröffnet und Eintritt haben wir alle schon in Form von Verschuldung bezahlt – (Vor-)Wahlgeschenken sei Dank. Abwrackprämie auf aktuelle Spitzenpolitiker – sprich deren sofortige Pensionierung – wäre uns sicher billiger gekommen.
Echte Demokratie würde sich nicht nur alle vier Jahre in Wahlen, sondern in gesteigerter Beteiligung der Bevölkerung, bspw. durch bundesweite Volksabstimmungen äußern. Aber da halten unsere Volksparteien (inklusive der NSDAP-Nachfolgeparteien) dem deutschen Volk vor 1933 Hitler gewählt zu haben und meinen damit rechtfertigen zu können, daß es bis heute keine bundesweiten Volksabstimmungen gibt. Die aktuelle Herrschaftsform hat ungefähr soviel mit Demokratie zu tun, wie die Deutsche “Demokratische” Republik. In der DDR versuchte man aber wenigstens die Wahlergebnisse zu legitimieren – wobei natürlich die Methoden fragwürdig waren. Heute ist es egal ob man zur Wahl geht und aus Protest ungültig wählt, oder ob man garnicht geht. Das Ergebnis ist das gleiche, aber zuhausebleiben ist einfach bequemer. Abgesehen davon spart man sich so als Idiot abgetan zu werden der zu doof ist die Anleitung auf dem Wahlzettel zu lesen. Auch ist die Wahlbeteiligung nicht so wichtig, so daß selbst bei einer bundesweiten Wahlbeteiligung von 77,7%, wie 2005, 100% der verfügbaren Sitze vergeben werden. Schauen wir uns doch mal an wie das aussieht, wenn wir die 222 Sitze der SPD und die 226 Sitze der Unionsparteien entsprechend runterrechnen:
222 · 0,777 = 172,494 (abgerundet 172)
226 · 0,777 = 175,602 (aufgerundet 176)
Nun ziehen wir noch die ungültigen Stimmen (1,6%) ab:
172,494 · 0,984 = 169,734096 (aufgerundet 170)
175,602 · 0,984 = 172,792368 (aufgerundet 173)
Bei insgesamt 614 Sitzen, einer Zweidrittelmehrheit bei 410 Sitzen und einer absoluten Mehrheit bei 308 Sitzen würde dies bedeuten, daß eine Koalition aus Unionsparteien und der SPD mit insgesamt 343 Sitzen zwar die absolute Mehrheit, nicht jedoch die Zweidrittelmehrheit hätte. Und dann würde es schon interessanter. Die Parteien müßten plötzlich versuchen trotz eines unterbesetzten Bundestages Mehrheiten zu schaffen.
Abgesehen davon kann man anhand der Länderwahlen oft genug sehen wie mit den Stimmen der Wähler verfahren wird. Da wird der “Wählerwille” ausgelegt wie es gerade paßt. Trotzdem beispielsweise die LINKE zweitstärkste Kraft wurde, wird der “Wählerwille” der Linkswähler mal eben locker ignoriert wenn die Union mit einer anderen Partei koalieren kann um die absolute Mehrheit zu erreichen. Soviel zum Thema Mehrheitsmeinung, wenn die zweitstärkste Gruppe von Wählerstimmen so leicht ignoriert werden kann … Demokratie westlicher Prägung ist eben eine Diktatur der Minderheiten.
// Oliver