Gefälligkeitssatire

… anders kann man diverse sogenannte “Satire”-Formate im deutschen Fernsehen mittlerweile nicht mehr nennen. Dazu gehören ganz offenbar extra3 und die heute-show. Zwar gibt es auch hier hin und wieder satirische Elemente, aber zu häufig wird in einer Form zugespitzt, bei der ersichtlich ist, daß hier ein bestimmtes Narrativ bedient wird.

Letzte Woche noch hatte Herr Ehring bei extra3 im Zusammenhang mit den hierzulande verwendeten “Corona-Impfstoffen” erklärt Nebenwirkungen könnten nur direkt auftreten und nicht erst nach langer Zeit. Man fragt sich ob das die Contergangeschädigten auch so sehen. Auch fragt man sich warum normale Zulassungsverfahren — im Gegensatz zu den aktuellen bedingten Zulassungen — auf so lange Frist angesetzt sind, wenn die Nebenwirkung laut Herrn Ehring quasi direkt nach Einstich aufzutreten hat.

Aber diese Woche schoß die Sendung den Vogel ab mit einer extrem faszinierenden Tirade gegen moderne Väter. Nach wie vor nähmen diese mehrheitlich allenfalls zwei Monate Elternzeit und ließen sich dann für ihre halbherzige Beteiligung an der Kindeserziehung abfeiern. Und die scheinheilige Fragestellung dazu: wie kann das nur sein, daß auch moderne Väter mehrheitlich nur zwei Monate Elternzeit nehmen?

Hmm, in der Tat ein sehr schwieriges Problem. Diesem Problem könnte man — ohne ideologisiertes Framing — vielleicht mit Statistik auf die Pelle rücken. Beispielsweise indem man das ausgezahlte Elterngeld betrachtet und nach Müttern und Vätern aufschlüsselt …

Das Elterngeld berechnet sich nach dem durchschnittlichen Einkommen des vorhergehenden Jahres und kennt eine Unter- und Obergrenze. Würden wir nun die obige Aufschlüsselung vornehmen, wette ich, daß wir zu der Erkenntnis gelangen würden, daß bisher den Müttern durchschnittlich deutlich weniger ausgezahlt wurde als den Vätern. Kurzum: das Elterngeld spiegelt die Einkommenssituation der Familienmitglieder wider.

Nun ist es für die Redaktion von extra3 natürlich nicht zumutbar auch noch Recherchen zu den überspitzt dargestellten Themen zu betreiben, oder gar auf Siebentklässlerniveau zu rechnen. Man käme geradezu auf Fakten wie den, daß bis zum September diesen Jahres das Elterngeld (Basiselterngeld nach BMF-Sprachregelung) für bis zu 14 Monate bei Alleinerziehenden oder Beantragung durch beide Partner (Stichwort: “Partnermonate”) beantragbar war1. Weiterhin mußte das Elterngeld für mindestens zwei und maximal zwölf Monate beantragt werden.

Nun will ich nicht undankbar klingen. Es ist toll, daß es das Elterngeld überhaupt gibt. Das war ja nicht immer der Fall. Allerdings muß sich eine Familie — nicht Vater oder Mutter einzeln — auch immer die Elternzeit leisten können. Wie jetzt, leisten können? Elterngeld bekommt man doch?!

Jetzt kommen wir in den Bereich der Mathematik und eines Optimierungsproblems. Sagen wir die Berechnung des Elterngeldes2 führt zu einem Elterngeld von 1300 € für die Mutter und 1800 €3 für den Vater. Jetzt kommen wir auf 12 x 1300 € = 15600 € insgesamt für die Mutter und 2 x 1800 € = 3600 € für den Vater. Wir kommen auf 19200 € in den 14 Monaten insgesamt für die von extra3 monierte Aufteilung der Elternzeit mit Elterngeld. Geht das bei der Einkommensverteilung besser?

  • Mutter: 2 x 1300 € = 2600 €, Vater: 12 x 1800 € = 21600 €; gesamt: 24200 €
  • Mutter: 3 x 1300 € = 3900 €, Vater: 11 x 1800 € = 19800 €; gesamt: 23700 €
  • Mutter: 4 x 1300 € = 5200 €, Vater: 10 x 1800 € = 18000 €; gesamt: 23200 €
  • Mutter: 5 x 1300 € = 6500 €, Vater: 9 x 1800 € = 16200 €; gesamt: 22700 €
  • Mutter: 6 x 1300 € = 7800 €, Vater: 8 x 1800 € = 14400 €; gesamt: 22200 €
  • Mutter: 7 x 1300 € = 9100 €, Vater: 7 x 1800 € = 12600 €; gesamt: 21700 €
  • Mutter: 8 x 1300 € = 10400 €, Vater: 6 x 1800 € = 10800 €; gesamt: 21200 €
  • Mutter: 9 x 1300 € = 11700 €, Vater: 5 x 1800 € = 9000 €; gesamt: 20700 €
  • Mutter: 10 x 1300 € = 13000 €, Vater: 4 x 1800 € = 7200 €; gesamt: 20200 €
  • Mutter: 11 x 1300 € = 14300 €, Vater: 3 x 1800 € = 5400 €; gesamt: 19700 €
  • Mutter: 12 x 1300 € = 15600 €, Vater: 2 x 1800 € = 3600 €; gesamt: 19200 €

Lassen wir einmal die Wünsche von Mutter und Vater außen vor und betrachten allein den wirtschaftlichen Aspekt. Laut obiger Liste würde es sich doch lohnen, würde die Mutter nur zwei Monate Elterngeld in Anspruch nehmen und der Vater zwölf Monate. Der Unterschied wären beträchtliche 5000 € insgesamt. Aber wir betrachten damit allein das Elterngeld, aber nicht den Einkommensausfall auf das insgesamt verfügbare Haushaltseinkommen der sich ergibt. Also nochmal:

  • Mutter: 2 x 1300 € = 2600 €, Vater: 12 x 1800 € = 21600 €; gesamt: 24200 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 55200 €
  • Mutter: 3 x 1300 € = 3900 €, Vater: 11 x 1800 € = 19800 €; gesamt: 23700 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 56200 €
  • Mutter: 4 x 1300 € = 5200 €, Vater: 10 x 1800 € = 18000 €; gesamt: 23200 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 57200 €
  • Mutter: 5 x 1300 € = 6500 €, Vater: 9 x 1800 € = 16200 €; gesamt: 22700 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 58200 €
  • Mutter: 6 x 1300 € = 7800 €, Vater: 8 x 1800 € = 14400 €; gesamt: 22200 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 59200 €
  • Mutter: 7 x 1300 € = 9100 €, Vater: 7 x 1800 € = 12600 €; gesamt: 21700 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 60200 €
  • Mutter: 8 x 1300 € = 10400 €, Vater: 6 x 1800 € = 10800 €; gesamt: 21200 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 61200 €
  • Mutter: 9 x 1300 € = 11700 €, Vater: 5 x 1800 € = 9000 €; gesamt: 20700 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 62200 €
  • Mutter: 10 x 1300 € = 13000 €, Vater: 4 x 1800 € = 7200 €; gesamt: 20200 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 63200 €
  • Mutter: 11 x 1300 € = 14300 €, Vater: 3 x 1800 € = 5400 €; gesamt: 19700 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 64200 €
  • Mutter: 12 x 1300 € = 15600 €, Vater: 2 x 1800 € = 3600 €; gesamt: 19200 €
    Haushaltsnettoeinkommen: 65200 €

Ups, jetzt kehrt sich die Bewertung um. Bei der Verteilung der Elterngeldmonate Mutter:Vater mit 12:2 finden wir nun plötzlich das Optimum.

Wer Kabarett ala Volker Pispers mag, oder — wie ich — jahrzehntelang Titanic und Eulenspiegel liest, erwartet auch immer einen Erkenntnisgewinn von Satiren. Bei der von extra3 vorgenommenen Überspitzung gab es jedoch keinen solchen. Schlimmer noch: die gestellten Fragen waren rein rhetorischer Natur und wurden innerhalb des gewünschten Framings passend “beantwortet”. Nur einen Erkenntnisgewinn darf man aus derlei Gefälligkeitssatire4 nicht erwarten.

Schaut man sich aber obige beiden Listen an, wird jeder normaldenkende Zwangsteilnehmer im Kapitalismus dazu neigen nach gesamtem Haushaltsnettoeinkommen zu optimieren und damit stellt sich das Optimum genau dort ein, wo die Betrachtung von extra3 es findet.

Nun ist mein obiges Beispiel etwas plakativ mit den zugeschriebenen Gehältern für Mutter und Vater (es könnte auch andersrum sein). Jedoch ist es so, daß Frauen regelmäßig sozialere Berufe ergreifen, die schlechter bezahlt sind. Jetzt könnte man ketzerisch eine bessere Bezahlung für diese Berufe fordern, anstatt schnöden Corona-Applaus. Aber das paßt dann wieder nicht ins Framing der aktuell wohlgelittenen Ideologen mit ihrer pseudo-linken Identitätspolitik. Hier ist natürlich der Gender-Pay-Gap, also die geschlechtsspezifische Einkommenslücke, schuld und einzig Quoten für die Besetzung, bspw. von Vorständen, können Abhilfe schaffen. Es hilft natürlich der Kindergartenerzieherin oder der nicht verbeamteten Grundschullehrerin ungemein, wenn eine weitere Frau in den Vorstand eines DAX-Unternehmens aufrückt. Aber ich drifte ab …

Als Schlußfolgerung kann man aber durchaus stehenlassen, daß die Gesamtbetrachtung des Haushaltseinkommens, bzw. der jeweils hingenommene Einkommensverlust bei Elternzeit ohne Elterngeld, wohl relevanter für die Entscheidung sein dürfte wer von den Elternteilen nun wieviel Elternzeit nimmt. Sicher könnten Väter auch mehr Elternzeit nehmen, zumal jene ohne Elterngeld. Aber ob der Ausfall beim Haushaltseinkommen dann noch hinnehmbar ist, sollte extra3 mal lieber den Familien überlassen. Jedenfalls verliert die Familie im obigen Beispiel mit jedem Monat den der Vater mehr und die Mutter weniger nimmt netto 1000 €. Ein schönes Sümmchen bei ökonomisch denkenden Menschen Denkprozesse einsetzen, die der extra3-Redaktion offenbar abgehen. Und in Gesamtabwägung mit den Wünschen von Mutter und Vater, dem besagten Verlust und dem aktuellen Finanzpolster ist die Fragestellung dann doch etwas differenzierter als bei extra3. Dabei war Differenzierung einmal gerade ein Merkmal von Satire.

Klar, die Zeit in der Schlecky Silberstein im Einspieler den modernen Vater gab und sich abfeiern ließ, hätte man auch nutzen können um dem Publikum diese Gerechtigkeitslücke näherzubringen. Aber das wäre ja nun wieder echte Satire.

// Oliver

  1. Mit der neuen Situation habe ich mich nicht näher beschäftigt, aber die “Satire” zielte ja ohnehin auf die bisherige Nutzung von Elternzeit ab. Zumindest soll es mittlerweile für Frühchen Verbesserungen geben, was ich als Vater eines Frühchens begrüße. []
  2. Üblicherweise 65% vom durschnittlichen Netto der letzten 12 Monate, mindestens 300 €, maximal 1800 €. []
  3. gedeckelt von 3500 € Nettoeinkommen []
  4. … ob ich damit aus Selbstgefälligkeit der jeweiligen “Satiriker” anspiele oder auf etwas anderes, überlasse ich dem Leser 😉 []
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2 Responses to Gefälligkeitssatire

  1. orinoco says:

    Zur Gefälligkeitssatire würde ich auch den “Postillion” zählen. Speziell seit Corona folgt dieser linientreu der Staatsdoktrin.

    Abgesehen von der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung bei der Elternzeit, sollte man auch bedenken, dass die sozialen Unterschiede zwischen Männern und Frauen biologisch deutlich ausgeprägter sind, als dies in Zeiten der “Gleichberechtigung” (eher ideologische Gleichmacherei) “politisch korrekt” ist. Spätestens seit Bernhard Ludwigs “Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit” (2000) wissen wir, dass sich Frauen in der Partnerwahl immer(!) nach oben orientieren, nie(!) nach unten und das kulturübergreifend. Hierbei ist ein höheres Einkommen des Mannes immer oben. Für Frauen, die selbst ein hohes Einkommen haben, reduziert sich so die Zahl der potentiellen Partner um so mehr je höher das eigene Einkommen. Das führt schon jetzt zu einer Partnerlücke bei den “gut(verdienend)en” Frauen und den männlichen Underdogs. Wird die Gender-pay-gap reduziert verschärft sich dieses Problem noch. Bei den Paaren, die sich zusammenfinden (klassisch: alpha-Männchen wird von pflegeleichter Tussi abgeschleppt) bleibt es dabei, dass der Mann mehr verdient als die Frau – deswegen hat sie ihn ja genommen bzw. geheiratet.

  2. Mutant77 says:

    Neben dem finanziellen Aspekt würde ich auch noch den Soziologischen betrachten. Die Annahme, dass “moderne” Frauen lieber arbeiten gehen statt zu Hause sich um ihr(e) Kind(er) zu kümmern, mag für viele Studenten die die entsprechenden Geisteswissenschaften studieren selbstverständlich sein. Aber auch da würde ich gerne genauere Studien sehen, wie hoch diese Zahl ist?

    Es wird ja in diesen Kreisen gerne von Stereotypen gesprochen, die man überiwnden sollte: In diesem Kontext sind damit immer irgendwelche Annahmen gemient, die aus der Sichtweise eine Benachteiligung der Frau ergeben sollen. Abgesehen davon, dass viele Stereotypen einfach das zusammenleben von vielen Menschen verienfachen, gibt es auch zahlreiche, die Männern eine Rolle aufdrücken. Ich vermute und das sagt ja auch mein Vorredern, es gibt noch zahlreiche Partnerschaften, in denen es klar ist, dass der Mann für die “Ernährung” der Familie zuständig ist. Völlig unabhängig welchen beruflichen Erfolg die Frau nun hat. Das diese Verantwortung auch bedeutet, dass der Mann einem Leistungsdruck ausgesetzt ist und gleichzeitig auch vom Familienleben ausgeschlossen sein kann, wird nicht als Nachteil gesehen, sondern oft sogar so als ob der Mann dies wollte und überhaupt sich zu wenig um die Famuilie kümmert, also die Frau benachteiligt. Eine absurde Verdrehung vieler Lebensumstände.

    Und bei allem gejammer – was manche Kreise auch zelebrieren – es gibt sicher viele Menschen die genau diesen Lebensplan haben und damit sehr zufrieden sind.

    Ein kleiner Teilaspekt in der Diskussion. Es gibt auf Statis zwei Tabellen der (Konsum-)Ausgaben, die zeigt das wenn Menschen alleine Leben die Ausgaben und damit vermutlich auch die Einnahmen von Mann und Frau fast identisch sind.
    https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Konsumausgaben-Lebenshaltungskosten/Tabellen/liste-haushaltstyp.html

    D.h. das alles zusammen erklärt das, was unter dem Begriff “Genderpaygap” ständig durch die Presse getrieben wird und letztlich dazu führt, dass mittlerweile Frauen wenn sie arbeiten mehr verdienen als Männer, vor allem wenn sie selten sind, wie z.b. in Führungspositionen. Für die Kassiererin wird sich aber dadurch nicht viel geändert haben.

    Das hat natürlich alles nichts mit Gefälligkeitssatiere zu tun, aber ich finde diesen Begriff sehr treffend und kann die erwähnten Formate nicht mehr ertragen. Der fehlende Erkenntnissgewinn war mir noch gar nicht so aufgefallen, mir würde es reichen wenn Kritik an den “Herrschenden” oder Selbstverständlichkeiten mal ironisch überzogen werden, aber selbst dazu sind sie nicht mehr in der Lage. Und wenn in “Satiresendungen” der Hauptaugenmerk nur noch darauf besteht, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu verunglimpfen, dann ist für mich eine Grenze überschritten die ich eher als Propaganda bezeichnen würde, als Satire. Lustig ist das schon lange nicht mehr.

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