Endlich (seit 2006-10-01) kann ich mein Semesterticket nutzen. Wie nützlich. Es gibt da nur kleinere Hindernisse, die aber all jene die nach Solidarität schrien und die zwangsweise demokratische Einführung des sogenannten “Semtix” forderten sicher nicht weiter stören werden.
Zwangsweise und demokratisch?
Ja, die Einführung erfolgte zwangsweise für alle Studenten. Ausnahmen gibt es nur für Studenten die eine Behinderung vorweisen können oder im Rahmen des Studiums nicht an der BTU weilen (Urlaubssemester, Praktikum, Auslandssemester …). Und ja, die Einführung erfolgte demokratisch durch eine Abstimmung … ähem … zwei Abstimmungen … ähem nein … drei Abstimmungen … naja ist ja auch egal, durch einige Abstimmungen halt. Da den Semtix-Befürwortern das Ergebnis immer dann mißfiel wenn es “Nein” hieß, wurde solange abgestimmt, bis letztendlich ein klares “Ja” herauskam. Dank dieser wundervollen Übung habe ich inzwischen auch ein ausgeprägtes Demokratieverständnis entwickelt und setze mich nun aktiv für monatliche Bundestagswahlen und tägliche Volksabstimmungen ein, auf das unser Land noch demokratischer werde. Sollte mir das Ergebnis der jeweiligen Abstimmungen mißfallen, behalte ich mir vor eine Wiederholung zu fordern oder die Frequenz der Abstimmungen solange zu erhöhen bis der Staat bankrott ist oder das Ergebnis mir paßt.
Solidarisch?
Das Semtix ist solidarisch. Jedenfalls mußte ich mir das von den Befürwortern mehrfach sagen lassen. Nun ist es ja so, daß ich durch die DDR-Propaganda und den zu DDR-Zeiten häufigen Gebrauch des Wortes “Solidarität” vollständig verblödet wurde und ein Verständnis des Wortes habe, welches Gerechtigkeit als eine der Säulen der Solidarität sieht. Völliger Humbug ist das natürlich und entspricht in keinster Weise der aktuellen Bedeutung des Wortes wie es von den Befürwortern des Semtix benutzt wird.
Moderne Solidarität bedeutet, daß ich gefälligst mitbezahlen soll um den Befürwortern ein preiswertes Semtix zu ermöglichen. Und schließlich kann ich ja theoretisch das Semtix halbtags benutzen wenn ich bereit bin eine geringfügig längere Wegdauer zu akzeptieren. Statt 40 Minuten und flexibel geht es dann mit einem Bus – der allerdings nur 4x täglich in die Innenstadt fährt – zum Bahnhof oder Busbahnhof, wo ich nach kurzer Wartezeit den Bus oder Zug nach Cottbus besteigen kann. Dort kann ich dann mit der Straßenbahn bequem zur nächsten Bushaltestelle fahren und mit dem Bus letztendlich zur Uni. Bequemer geht’s fast nicht. Die Wegdauer kann sich dann zwar schonmal auf drei Stunden ausdehnen, aber solche Opfer bringt man gern für die Solidarität.
Und da das Semtix natürlich auch kostenlose Taxifahrten beinhaltet, kann ich zu den anderen Tageszeiten in denen es keinen ÖPNV zwischen Uni und Zuhause gibt einfach mal ein Taxi rufen und mich von A nach B kutschieren lassen. Das nenne ich Mehrwert.
Fazit
Als ich im Rahmen einer Informationsveranstaltung vor über einem Jahr dieses Problem erwähnte war ich bei weitem nicht der einzige mit solchen Problemen. Dank der vorbildlich von der DB vorangetriebenen Einstellung von Bahnlinien gibt es auch noch Leute die schlimmer dran sind. Studentenleben lag mir sowieso noch nie so richtig und die Bus- und Bahnfahrpläne halten mich nun effektiv von abendlichen und nächtlichen Saufgelagen ab – etwas was die Tatsache, daß ich mit Auto da war nie vermocht hätte.
Außerdem stimmt es mich immer wieder froh, wenn ich fröhliche BTU-Studenten sehe die zum Shopping nach Berlin, einfach zum Eisessen zum Potsdamer Platz oder zum Nachschubholen nach Dresden oder Berlin fahren, um endlich wieder preiswerter kiffen zu können. Da geht einem richtig das Herz auf und man weiß, wofür man den Solidaritätszuschlag…äh…Semesterticketpreis nun abgedrückt hat.
// Oliver