Seit kurzem wird in Deutschland von Arla, einer dänischen Großmolkerei, Skyr verkauft. Dabei handelt es sich logischerweise nicht um den Skyr den es in Island gibt, denn der wird aus isländischer Milch hergestellt.
In Island gibt es in Sachen Molkerei ein Quasi-Monopol 1 eines Anbieters: MS 2. Dieser Anbieter kontrollierte in den meisten Jahren 3 auch die Einfuhr von Käse nach Island. “Kontrollierte” ist in diesem Fall durchaus so zu verstehen, daß die Käse- und allgemein Milchproduktvielfalt von diesem Quasi-Monopolisten künstlich eingeschränkt wurde und wird. Ähnliches gilt in Island aber auch für andere Produktkategorien.
Arla verkauft in Deutschland also “Skyr nach isländischer Tradition”, so der Aufdruck. Die Isländer sind in Aufruhr und MS – besagter Quasi-Monopolist – führt die Meute gegen diesen vermeintlichen Angriff auf isländische Traditionen an.
Heute habe ich ihn das erste Mal gekostet. Da ich acht Jahre lang fast tagtäglich Skyr gegessen habe – meine Kollegen nahmen dies auch hin und wieder zum Anlaß über mich zu witzeln – meine ich, mir eine gewisse Expertise erarbeitet zu haben.
Skyr wird zwar in der deutschen Wikipedia mit Joghurt verglichen, dies trifft angesichts der Konsistenz aber nicht voll zu. Vor meiner Wertung also ein paar Erläuterungen.
Skyr gibt es in zwei Grundformen: hrært (gerührt) und óhrært (ungerührt). Dabei geht es nicht um die Gefühlslage des Skyr, sondern darum ob er “cremig”-gerührt wurde oder nicht. “Cremig” ist hier auch nicht im Bezug auf dem Fettgehalt zu sehen, sondern auf die gleichmäßige Konsistenz. Vergleichbar von der Konsistenz ist Skyr am ehesten mit Magerquark – dabei aber mit den nicht so bröckeligen Sorten, sondern mit den “cremigen”. Vermutlich ist das Rühren bereits ausreichend um diesen Effekt zu erreichen.
Um ehrlich zu sein habe ich Käsekuchen aber auch würzige Quarkdips beim Grillen und eben auch Pellkartoffeln mit Quark 4 und Leinöl mit Skyr gezaubert. Der Unterschied ist im Endergebnis nicht so stark wie man nach einem ersten Geschmackstest annehmen könnte.
Man kann in Reykjavík u.a. im Hagkaup auch den Skyr in seiner Naturform, also óhrært skyr, kaufen – er ist dort deutlich fester 5, herber und saurer 6 als hrært skyr. Der meist konsumierte Skyr ist aber die gerührte Form, also hrært skyr. Die Naturform bekommt man nur in ländlichen Gebieten oder eben in kleineren Abpackungen ähnlich wie in deutschen Supermärkten in der “Landmarkt”-Ecke.
Geschmacklich kommt hrært skyr auch an Magerquark heran, wobei er etwas herber und saurer im Geschmack ist und einen gewissen schwer zu beschreibenden Eigengeschmack hat, welcher ins joghurtartige geht 7.
Es soll hier also um hrært skyr gehen. Dieser dient auch als Grundlage für das was als Dessert den Touristen in Restaurants dargeboten wird. Mit Sahne, Zucker und Blaubeeren wird eine auch für Touristen nicht so stark gewöhnungsbedürftiges “authentisches” Dessert gezaubert.
Mit Geschmacks- und Farbstoffen, sowie Stärke, versetzt wird der gerührte Skyr auch neben entsprechend ebenfalls aromatisierten Joghurts im Bónus und so weiter angeboten. Dabei wird ähnlich wie in deutschen Milchprodukten eine Frucht vorgetäuscht von der dann im Endeffekt wohl nur Spuren nachweisbar sein dürften. Probiert habe ich die meisten der verfügbaren aromatisierten Skyrsorten auch in den Jahren von 2006 bis 2014, aber sie für den täglichen Konsum ob des Stärkezusatzes und der anderen Zusatzstoffe gemieden.
Meistens setzte ich auf den hrært “MS skyr” und “KEA skyr” 8, wobei ich ersteren klar bevorzugte. Und zwar jeweils in der Geschmacksrichtung “hreint”, also pur 9. Aber auch den “MS skyr bláberja” gab es bei mir sehr häufig. Letzterer ist der Naturskyr zusammen mit Blaubeeren 10 und ohne Stärke oder andere Zusatzstoffe die in einen Skyr nicht hineingehören. Die meisten aromatisierten Skyrsorten enthielten generell Stärke 11 und andere Zusatzstoffe. Die kalorienreduzierten Varianten 12 enthielten dann auch Zuckerersatzstoffe.
Aromatisierte Skyrs von der Pseudo-Marke 13 KEA enthielten dabei auch geringe Mengen an Fruchtstücken und jene von Skyr.is generell nur Aroma- und Farbstoffe. Skyr.is etablierte während ich auf Island lebte erst als eine Pseudo-Marke von MS, denn zuvor wurden mehrere der heute als Skyr.is angebotenen Sorten direkt als MS markiert.
Aber nun zum Skyr von Arla. Der schmeckt in der Tat so wie man es vom Skyr kennt. Der Eigengeschmack stimmt, die herbe Säure kommt auch hin. Einzig an der Konsistenz habe ich etwas auszusetzen. Die ist flüssiger als ich das vom hrært skyr in Island gewohnt bin. Dennoch bin ich froh den gewohnten Geschmack nunmehr auch in Deutschland zu bekommen. MS kann sich doch gern auch mal auf dem deutschen Markt versuchen, oder? Mit mir würden sie einen treuen Kunden haben.
Bizarr ist es aber, daß sich eine Werbung von MS über den puren Skyr von Arla lustig macht. Der gezeigte Arla Skyr in seiner natürlichen Geschmacksrichtung 14 ist definitiv mehr Skyr als das mit Geschmacks- und Farbstoffen, sowie Stärke und Zucker, versetzte Zeug welches meint der authentischere und “isländischere” Skyr zu sein.
Lustig ist die Werbung dennoch, denn sie spielt unter anderem darauf an, daß die Werbeabteilung von Arla offenbar auf die Unbedarftheit seiner Facebooknutzer hoffend suggerierte der Skyr von Arla stamme aus Höfn, einer kleinen Ortschaft 15. Das war natürlich dumm. Dafür haben sie auch ein wenig Ärger – neudeutsch Scheißesturm genannt – verdient. Nachzulesen auf Englisch auf der durchaus als parteiisch anzusehenden Webseite Iceland Review.
Aber, liebe Isländer. Das Zeug welches Arla verkauft kommt geschmacklich eben doch an “echten” hrært skyr ran, wie er in Island verkauft wird – auch wenn die Konsistenz nachbesserungswürdig wäre.
// Oliver
- siehe dieser englische Artikel im Reykjavík Grapevine [↩]
- kurz für Mjólkursamsalan ehf., was in etwa mit Milchgenossenschaft übersetzt werden könnte – die Direktübersetzung wäre etwa “Milchgemeinschaftsverkauf”. [↩]
- Bieterwettbewerb [↩]
- plus Zwiebeln, Salz … [↩]
- Schnittkäse ähnlicher [↩]
- und teurer [↩]
- man stelle sich einen mageren Naturjoghurt aber deutlich trockener vor [↩]
- beide vom besagten Quasi-Monopolisten [↩]
- wortwörtlich: rein [↩]
- bzw. einer Fruchtmischung die nach dem Mundgefühl zu urteilen auch Spuren von echten Blaubeeren enthielten. [↩]
- für Islandtouristen: sterkja [↩]
- für Islandtouristen: sykurlaust [↩]
- gleicher Quasi-Monopolist: MS [↩]
- vergleichbar dem “hreint, hrært skyr” [↩]
- denn außer Reykjavík, Akureyri und Selfoss ist eigentlich alles eine kleine Ortschaft – läßt man die Satellitenstädte um Reykjavík mal außen vor [↩]
Vielen Dank für den Bericht. Ich freu mich auch, daß es den Skyr-Geschmack nun endlich auch in Deutschland gibt.