Atheist wird zur Kirchensteuer gezwungen

In dieser Woche hat der Humanistische Pressedienst (hpd) die Übersetzung eines französischen Blogartikels des in Berlin lebenden Franzosen Thomas Bores veröffentlicht.

Darin geht es um einen Vorgang wie ihn nur die deutsche Bürokratie hervorbringen kann.

Es ist schon lange bekannt daß Deutschland mit seiner durch staatliche Stellen – nämlich Finanzämter – eingezogenen Kirchensteuer ziemlich einzigartig ist auf der Welt. Die Kirchen begründen dies mit den Enteignungen welche nach Napoleons Europafeldzug zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts stattfanden1. Wie “hart” die Kirchen dabei getroffen wurden, läßt sich anhand des Kölner Erzbistums oder der Umtriebe des ehemaligen Limburger Bischofs Tebartz-van Elst: “arme” Kirche. Und da haben wir noch nicht erörtert wie denn die Kirchen in den ganzen Jahrhunderten an ihren Besitz2 gekommen sind. Es kommen nicht nur Hexenverbrennungen in den Sinn, sondern bspw. auch Adlige welche die Kirche legitimierten und von der Kirche legitimiert wurden und welche sich jeweils an den armen Menschen gütlich taten. Woher kamen denn also wohl die Reichtümer der Kirchen? …

Nun aber zum Erfahrungsbericht von Herrn Bores, besagten französischen Blogger aus Berlin …

Als er sich in Berlin anmeldete, wurde er nach seiner Konfession gefragt. Wie aus seinem Blogartikel ersichtlich, gab er Keine Religion an. Bei einer weiteren Nachfrage gab er wiederum an ein Atheist zu sein.

Etwas später fehlten mehr als 500 € von seinem Girokonto und er wurde aufmerksam. Es handelte sich dabei um die Kirchensteuer für den aktuellen Monat, sowie eine Nachzahlung für die Vormonate.

Auf Nachfrage ergab sich, daß die französische Kirche der deutschen einfach mal – entgegen datenschutzrechtlicher Regelungen – Auskunft über die Taufe des Herrn Bores gab und den Taufschein mitschickte. All das ohne Herrn Bores zu fragen oder auch nur zu informieren.

Ähnlich wie einstmals in der DDR, ist durch die laizistische Verfassung in Frankreich ein amtlich bestätigter Kirchenaustritt dort nicht vorgesehen. In der DDR war der Gang zum Amt zwar vorgesehen, aber es machte im Grunde keinen Unterschied wegen fehlender Verbandelung von Kirche und Staat in Form einer Kirchensteuer.

Herr Bores hatte also in Frankreich nie die Möglichkeit gehabt formal aus der Kirche auszutreten. Er sei also noch Mitglied. Deshalb, so die deutschen Kirchen, muß er nun auch bezahlen. Das bislang gezahlte Geld ist wohl unwiederbringlich weg, aber mittlerweile ist Herr Bores nach deutsch-bürokratischem Ritus auch aus Sicht der deutschen Kirchen offiziell ausgetreten.

Was ich daran besonders befremdlich finde, ist daß sich für die Kirche aus einer Willensbekundung der Eltern, ggf. auch nur eines Elternteils, ein Rechtsanspruch auf Kirchensteuer ableitet. Das Kind ist dabei zumeist noch im Kleinkindalter und hat noch nichts dazu oder dagegen zu sagen.

Noch befremdlicher sind die Umtriebe der jeweiligen Gemeindeverwaltungen in denen der Austritt erklärt werden muß. In Berlin kostete der Austritt für Herrn Bores 30 €. In anderen Gemeinden sogar noch mehr. Hier sieht man einmal mehr die Verbandelung von Kirchen- und Staatsobrigkeit.

Man sieht schon wie fragwürdig das nach wie vor herrschaftliche Gebaren der Kirchen ist. Ein Akt eines Vertreters der jeweiligen Kirche an einem unmündigen, weil viel zu jungen, Menschen auf Bitten seiner Eltern oder eines Elternteils wird zum Anlaß genommen einen Rechtsanspruch auf die Kirchensteuerzahlung bei Erlangung der Mündigkeit abzuleiten. Da wäre vielen im Nachhinein wohl eine Einmalzahlung für die spirituelle Dienstleistung der Taufe doch allemal lieber gewesen.

Auch interessant für mich war die im Blogartikel verlinkte Panorama-Sendung vom 2010-05-06. Darin wird sehr anschaulich dargestellt welche Steine die Kirchen den Menschen in den Weg legen aus der Kirche auszutreten und wie Ungläubige3 in bestimmten Konstellationen für ihre Partner mitbezahlen.

// Oliver

  1. wieviele Generationen von Deutschen seitdem Reparationszahlungen an die Kirche vorgenommen haben, ist gigantisch. So gesehen müßte man meinen der Anspruch sei längst abgegolten. []
  2. von Eigentum möchte man nicht reden []
  3. wie auch ich []
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2 Responses to Atheist wird zur Kirchensteuer gezwungen

  1. Thomas says:

    Hallo Olivier,
    danke für dein Artikel. Das ist ein sehr gute Zusammefassung von meinem Fall.
    Ein deutsche Leser hat eine Petition gestartet, ich möchte es hier mit deiner Unterstützung verteilen:
    https://www.change.org/p/erzbisch%C3%B6fliches-ordinariat-berlin-zahlen-sie-herrn-thomas-b-die-524-78-euro-unberechtigt-eingezogene-kirchensteuer-zur%C3%BCck-und-entschuldigen-sie-sich-f%C3%BCr-ihr-vorgehen-dar%C3%BCber-hinaus-unterlassen-sie-solche-schn%C3%BCffelei-in-zukunft?just_created=true
    Danke,
    Thomas

  2. Oliver says:

    Habe den Link auch nochmal in einem neuen kurzem Beitrag etwas prominenter eingestellt. Ich drück die Daumen!

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