Nach dem Amoklauf in Winnenden nimmt man die Jagd auf Killerspiele vorzeitig wieder auf und will offenbar auch wieder den Waffenbesitz in Deutschland diskutieren. Nicht, daß es besonders einfach wäre legal(!) an Waffen zu kommen – kein Vergleich zu den USA – aber man wird es ja wohl diskutieren dürfen! Na dann diskutieren wir mal.
So schlimm der Amoklauf für die Angehörigen sein mag, im Kontext weltweiter oder sogar nur nationaler Todesereignisse ist er eine Kleinigkeit. Hier handelt es sich, ähnlich wie bei Flugzeugabstürzen, um einen Aufmerksamkeitsjournalismus. Ein (Passagier-)Flugzeugabsturz passiert zu selten um dann bspw. im heute-Journal nicht gesendet zu werden – bei Unfällen mit Todesfolge auf deutschen Straßen sieht das anders aus, die schaffen es maximal noch in die Lokalnachrichten. Daher ist die Hysterie mit der jetzt das Thema diskutiert wird komplett unangebracht. Vermutlich hat sich nichtmal rein statistisch das Risiko erhöht durch einen Amokläufer zur Strecke gebracht zu werden. Das gefühlte Risiko ist bei der aktuellen Berichterstattung aber plötzlich immens.
Interessant ist diese Diskussion hingegen im Hinblick auf die Entwicklung der letzten paar Jahre und wie Waffenbesitz in den USA häufig begründet wird. Einer der Ansätze ist dort immer, daß der Bürger sich notfalls gegen den Staat wehren können soll. Besonders lesenswert sollte jedem deutschen Staatsbürger deshalb der Artikel 20 des Grundgesetzes (mit Augenmerk auf Absatz 4) sein. Wie schon früher hier im Blog erwähnt, sind einige Aktionen aktueller Politiker durchaus von einer Dimension die Artikel 20 des Grundgesetzes als Legitimierung für Widerstand erscheinen läßt.
Ich bin selber kein Waffennarr, aber schon mit Waffen in Berührung gekommen. Genaugenommen wurde ich einmal auf dem Schießstand fast getroffen, da ein offenbar geistig unterwentwickelter Schütze vor dem Öffnen der Flinte (zum Nachladen) nochmal abdrückte – das tat er aber in Richtung der Zuschauer (hatte sich also vom Schießstand abgewandt). Da die Position der Schützen etwas erhöht lag, stand ich also “unterhalb”. Jedenfalls entlud sich die Flinte in den Boden keinen Meter vor mir.
Einerlei. Zurück zum Thema. Wenn man nur mal folgende vier Punkte zusammennimmt:
- Geplanter Einsatz der Bundeswehr im Innern
- Stetig wachsender Überwachungswahn
- Stetig wachsende soziale Ungerechtigkeit
- Die aktuelle weltweite Krise
… zeichnet sich ein Bild ab, bei dem es auch gut darum gehen könnte sicherzustellen daß in Zukunft die bei sozialen Unruhen eingesetzten “Bürger in Uniform” nicht auf zuviel bewaffneten Widerstand aus der Zivilbevölkerung stossen. Und dabei sind Waffen ohnehin jetzt schon meist nur etwas für betuchtere Leute. Jedenfalls kann ich mir kaum einen Hartz-IV-Bezieher vorstellen, der sich, wie der Vater des Amokläufers von Winnenden, 15 Waffen leisten kann.
Diese Beißreflexe direkt nach dem Vorfall waren jedenfalls wiedermal vorhersehbar. Würde man mit Fehlverhalten von Politikern ähnlich verallgemeinernd umgehen, gäbe es etwa jeden Monat eine neue Regierung …
// Oliver