Warum die Betonung auf “Inzest”

Zwangsläufig – mangels deutscher Fernsehsender – informiere ich mich auch in “ausländischen” Medien. Der Fall der eingesperrten Mutter von sieben Kindern aus Österreich macht soeben ja die Runde durch die Medien weltweit und dabei gibt es eine interessante Kleinigkeit die einen großen Unterschied macht.

Um es vorwegzuschicken: schlimm ist diese Geschichte in jedem Fall. Die Betonung liegt aber in diesem Fall auf dem “Was genau?”!

In den deutschen Medien liegt die Betonung ganz offenbar auf der inzestuösen Natur der Geschichte, während dies in den Medien außerhalb des deutschsprachigen Raums keine so große Rolle zu spielen scheint. Wie kommt das?

Es hat offenbar mit unserer “abendländischen Kultur”, sprich: dem kirchlichen Einfluß, zu tun. Es gibt sogar einige Kirchenkritiker, die davon ausgehen, daß das Kirchenrecht deshalb so gestrickt ist, damit unter bestimmten Umständen das Erbe eher an die Kirche als an die (angeheirateten) Nachkommen falle. Ob man das nun als einsichtig annimmt oder als unlogisch ablehnt, ist im Endeffekt egal. Durch die Bibel zieht sich von Anfang an eine Geschichte des Inzest. Angefangen bei Adam und Eva geht es über allerlei Kinder und Kindeskinder bis zu Noah, wo jemand offenbar die Geduld verlor und die Inzestgeschichte nochmal von vorn begann. Auch Blutlinien spielen in der Bibel ja eine außerordentliche Rolle … alles in allem ist diese bigotte Haltung der Kirche und letztendlich der Gesellschaft damit unverständlich.

Ich persönlich finde die Freiheitsberaubung viel schockierender. In ihrem Ausmaß von einem normal aufgewachsenen Menschen wohl kaum zu erfassen. Die Vergewaltigungen sind ebenfalls ziemlich schockierend. Daß es nun inzestuöse Vergewaltigungen waren ist doch da wohl nebensächlich – laut deutschsprachigen Medien aber offenbar ein Hauptmerkmal der Tat.

// Oliver

Update: Titel geändert.

This entry was posted in DE, Gedanken. Bookmark the permalink.

4 Responses to Warum die Betonung auf “Inzest”

  1. Will Tenner says:

    Sorry, aber ich finde du übertreibst sehr stark. Ich weiß ja nicht von welchen Medien du sprichst, aber die, die ich benutze konzentrieren sich in keinster Weise einzig und allein auf den Inzest (er wird zwar erwähnt, aber nur nebensächlich behandelt, kein Wunder bei dem was da passiert ist).
    Deine Kritik an der Kirche und dem deutschen Staat hin oder her, das entspricht nicht der Wahrheit ❗

  2. Oliver says:

    Ehrlich gesagt, war das überhaupt nicht auf den deutschen Staat bezogen, sondern auf die Gesellschaft. Ich hoffe wir sind uns zumindest darin einig, daß die Gesellschaft noch etwas mehr als “den Staat”, bzw. “die gesellschaftlichen Eliten” umfaßt.

    Daß es übertrieben ist, mag sogar sein. Das Problem ist nur, daß ich die Erwähnung des “Inzestverhältnisses” doch etwas … sagen wir mal … ungeschickt empfinde. Die Freiheitsberaubung und die Vergewaltigungen (auch ohne die Erwähnung des Wortes Inzest) selber sind, wie schon erwähnt, meines Erachtens nach deutlich schlimmer. Und offenbar reden wir hier ja nicht nur über die Tochter des 73-jährigen, sondern auch einige ihrer Kinder.

    Übrigens meine ich, daß jeder halbwegs gebildete Mensch aus der Tatsache, daß dieser Unmensch seine Tochter eingesperrt und vergewaltigt hat, ohne die Erwähnung von “Inzest” schließen kann, daß es sich um selbigen handelt. Dazu braucht es nicht der Erwähnung. Das ließe dann nur den Schluß zu, daß man die Deutschen für ausgesprochen verblödet hält, oder daß man es gerade betonen will. Letzteres habe ich aufgegriffen und kritisiert.

    Medien: ZDF, Spiegel Online, Deutsche Welle (Deutsch und English, da bekommt man den Unterschied sogar noch besser mit), CNN und was mir sonst gerade so “in die Finger” kommt 😉 … ab und an gibt es auch mal ein deutsches Magazin, welches ich mir hier kaufe. Allerdings gibt es mit Sicherheit heute noch keines zu kaufen, daß diese Geschichte bereits thematisiert.

    // Oliver

  3. mathias says:

    Die Tatsache, dass jemand seine eigene Tochter missbraucht, ist für mich nur schwer bis gar nicht nachzuvollziehen. Grundsätzlich finde ich die Vorstellung, dass jemand sein eigenes Kind 24 Jahre einsperrt und es im wahrsten Sinn des Wortes “benutzt”, einfach nur beklemmend.

    Und dazu kommt dann noch das Geierverhalten der Medien. Da wird der restlichen Familie auf die Pelle gerückt, weil man herausfinden will, wer was gewusst hat. Als ob diese Menschen nicht schon darunter zu leiden haben, dass so etwas in ihrer Familie vorkommt. Nein, da tauchen Fremde auf, die genüsslich jedes Detail in die Öffentlichkeit ziehen wollen. 🙄 Dafür habe ich kein Verständnis.

  4. Oliver says:

    Da kann ich eigentlich nur anfügen: auch Medienkonsum ist Konsum.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *