Wie Telepolis berichtet, wurde der Beschneidung von Jungen im nicht einwilligungsfähigen Alter ein Riegel vorgeschoben. Damit wird das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit sehr eindeutig vor das Grundrecht der Eltern auf freie Religionsausübung gestellt.
In einem Kommentar meint Herr Graumann vom Zentralrat der Juden:
Diese Rechtssprechung ist ein unerhörter und unsensibler Akt. Die Beschneidung von neugeborenen Jungen ist fester Bestandteil der jüdischen Religion und wird seit Jahrtausenden weltweit praktiziert. In jedem Land der Welt wird dieses religiöse Recht respektiert.
Ich bin ob der Verbandelung des deutschen Staats mit den christlichen Kirchen positiv überrascht ein derartiges Urteil zu sehen und hoffe zukünftig auf ähnlich wegweisende Urteile im Hinblick auf die religiöse Indoktrination von Kindern unter 16 Jahren. Was genau ist denn so schlimm daran seinen Jungen erst dann zu beschneiden wenn er selbst entscheiden kann? Das ist nun wirklich nicht zu viel verlangt.
Auch wenn die Beschneidung mit der Genitalverstümmelung bei Mädchen in diversen afrikanischen Ländern, wie Äthiopien, nicht wirklich vergleichbar ist, bleibt der Effekt irreversibel. Entsprechend sollten hier die Rechte der involvierten Menschen gegeneinander abgewogen werden.
Der Hygieneaspekt ist meiner Meinung nach auch nur vorgeschoben, denn unter gleichem Licht lassen sich die jüdischen Speisegesetze betrachten, die aber aufgrund der Erfindung des Kühlschranks einen Großteil der Rechtfertigung verloren haben. Dennoch werden die Regeln zur Trennung von Milch und Fleisch nach wie vor gelebt. Und selbst wenn man annähme es handele sich um eine ethische Vorschrift (“Das Junge einer Ziege sollst du nicht in der Milch seiner Mutter kochen”, “Und sollst das Böcklein nicht kochen in seiner Mutter Milch”, 2. Mose 23, 19), ließen sich auch hier die von Rabbinern in Zeiten lange vor der Aufklärung ausgelegten Regeln einer strikten Trennung von Milch und Fleisch nicht aufrecht erhalten – insbesondere wenn man den “originalen” Wortlaut betrachtet und Kuhmilch vs. Ziegenfleisch betrachtet. Abgesehen davon wäre es dann wohl ethischer ein Ziegenjunges nicht erst zu schlachten sondern entweder kein Fleisch zu konsumieren oder nur das von erwachsenen Tieren. Aber zurück zur Beschneidung: da es in Deutschland flächendeckend Wasser und Seife gibt, ließe sich der Hygieneaspekt nur mit Faulheit begründen.
Anders wäre die Lage, wenn es medizinisch angezeigt wäre eine Beschneidung vorzunehmen. Aber Körperverletzung auf Basis religiöser “Gesetze” bleibt eben Körperverletzung. Wenn wir die Scharia oder die zehn Gebote (welche Version?) nicht als Grundlage unseres Rechtssystems haben wollen, ist das Urteil nur konsequent. Religion ist Privatsache – Körperverletzung hingegen nicht.
Update: … wunderbar. Es gibt jetzt eine Meinungsäußerung einer Telepolis-Autorin. Interessant, aber eben auch nur eine Meinung. Und hier wäre interessant welche Verbindung zur vom Urteil betroffenen Religionsgruppe existiert.
// Oliver