Bei der aktuellen Diskussion um die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften wird mir immer etwas übel. Deutsche Obrigkeitshörigkeit und Papiergläubigkeit sind meines Erachtens nach ein größeres Problem bei der Suche nach qualifizierten Fachkräften als der sogenannte Fachkräftemangel.
Während Politiker einerseits “lebenslanges Lernen” fordern, bei welchem sie bekanntlich selber nicht so gut abschneiden, sind die während dieses lebenslangen Lernprozesses erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse eben oftmals nicht auf einer Urkunde oder einem anderen Wisch verfügbar. Gerade in Deutschland ist der Wisch aber wichtiger als die eigentlichen Fähigkeiten und Kenntnisse – wobei die Methoden oder Bewertungsmaßstäbe beim Erwerb des entsprechenden Wischs selten hinterfragt werden, ein entsprechender Wisch bei einem Ausländer hingegen umso mehr.
Es gibt auch Ausnahmen. Aber wenn man bspw. in einigen Informatikstudiengängen noch immer einen Abschluß bekommen kann ohne jemals auch nur eine Zeile Code geschrieben zu haben, kann man sich denken wie aussagekräftig dieser Wisch im Endeffekt für die Bewertung eines Bewerbers ist.
Hinzu kommen noch akademische Grade wie “Doktor”. Nachdem ich einige Doktoren kennengelernt und die (lächerlichen) Anforderungen an Doktorarbeiten gesehen habe, erschien mir persönlich dieser akademische Titel schon zu Schulzeiten nicht mehr erstrebenswert. Es gab Zeiten in denen die Dissertation die zum Erwerb des Doktortitels abgegeben wurde mindestens die Anforderung erfüllen mußte, daß ihr Inhalt den Wissenschaftszweig welcher in der Dissertation thematisiert wird entscheidend voranbringen muß. Simple Recherchearbeiten zählen da für mich nicht dazu. Auch erscheint mir die Praxis seltsam, daß der Doktortitel nicht aberkannt wird, wenn dem Promovierten später – bspw. durch die Promotion einer anderen Person – nachgewiesen wird, daß die in der Dissertation gemachten Aussagen unhaltbar sind.
Abgesehen davon, kann ein Doktor in einem Fach wie Theologie (welches es meines Erachtens nach nicht einmal geben dürfte) oder Germanistik auch eine Computerservice-Firma gründen und dann mit seinem Titel im Kontext seiner Firma kokettieren ohne eben Angaben zur Natur bzw. Fachrichtung des Titels machen zu müssen. Dieser Mißbrauch von akademischen Titeln gehört genauso abgeschafft wie Adelstitel in Österreich – und wenn wir dabei sein, können wir Adelstitel in Deutschland auch gleich abschaffen.
Auch auf Professoren bin ich nicht gut zu sprechen, denn diese Elfenbeinturmbewohner lassen oftmals ihre Doktoranden Arbeiten schreiben für welche sie selbst später die Lorbeeren ernten. Eine Praxis die laut mehreren mir bekannten (auch ehemaligen) Doktoranden an deutschen Hochschulen Usus zu sein scheint und ein klarer Fall von Plagiarismus wie er sonst in akademischen Kreisen immer angeprangert wird. Aber wie war das noch mit den Krähen und deren Augen … 😉
// Oliver
Teileweise kann ich da nur zustimmen. Man muss aber sagen, dass es eben auch schwarze Schafe gibt. So richtig krass ist es eben doch noch nicht, obwohl Politiker da eine Ausnahme bilden könnten
Was den Doktor angeht. Nunja, laut c’t Gehälter gibt es dann doch nicht soviel dafür, dass es sich immer lohnt. Ich stimme aber zu, dass ein Doktorgrad nur durch eine neue Erkenntnis für die Wissenschaft zu erreichen sein sollte. Ihn allerdings abzuerkennen, wenn die Theorie sich später als falsch erweist, und ich meine nach den üblichen Prüfungen durch den Doktorvater, halte ich für problematisch, besonders da wohl eine Menge Physiker keine mehr wären 🙂
Und die Profs. Aus meiner Erfahrung: da gibt es solche und solche. Manche haben keine Lust auf Studenten und andere wiederum sind sehr stark darum besorgt. So kann ich nur bestätigen, dass man Glück haben muss auf wen man trifft. Ich habe beide Felder schon getroffen. Übrigens, ich kenne einen Absolvent, der von seinem Betreuer, ein Doktorand, übermäßig “ausgenutzt” wurde. Es muss also nicht immer der Prof sein 🙂
Warum sollte man den Doktortitel wieder aberkennen, wenn sich seine Theorien und die Schlussfolgerungen aus seiner Forschung im Nachhinein als falsch erweisen? Ich möchte nicht wissen wie viele Doktortitel dann wieder aberkannt werden müssten, weil sich mittlerweile neue Erkenntnisse ergeben haben und so Aussagen in Doktorarbeiten widerlegt wurden. Der Wissensstand ändert sich nun mal und wird erweitert. Wir gewinnen Wissen hinzu. Oder wolltest du jemanden, der vor 500 Jahren eine Doktorarbeit über die Scheibengestalt den Doktortitel wieder aberkennen, weil sich seine These ls falsch erwiesen hat?
Oh, mißversteht mich bitte nicht. Es gibt Theorien die sind wasserdicht auf Basis des entsprechenden Modells. Nehmen wir mal die newtonsche Mechanik versus Modelle die Quantenmechanik versuchen mitzubetrachten. Sprich, die (newtonsche) Theorie ist nicht falsch, sondern einfach eine unvollständige Iteration, wenn man so will. So funktioniert Wissenschaft und da muß auch nichts aberkannt werden. Auf Basis gewisser Grundannahmen/Postulate werden Erkenntnisse gesammelt und in nachprüfbarer Form dokumentiert. Wenn dann durch andere Erkenntnisse ein Postulat hinfällig wird, rüttelt das zwar an den Grundlagen der abgelieferten Doktorarbeit, ist aber nicht durch den Autor verschuldet. Im schlechtesten Fall war es eine Verfeinerung eines vorhergehenden Modells die nun weiter verfeinert werden muß.
Wenn hingegen ein späterer Doktorand nachweist, daß durch Schlamperei des Originalautors die Doktorarbeit hinfällig ist, sollte meines Erachtens nach der Titel absolut und ohne Gnade aberkannt werden.
Fazit: man unterscheide falsch und unvollständig.
Das könnte zu einer Kaskade ausarten, wenn ein Doktortitel aberkannt wird und dadurch die Grundvorraussetzung für eine Professur wegfällt. Ist dann dieser Titel auch hinfällig? Und was ist mit den Titeln, die der Professor vergeben hat?
Ja. Und die vergebenen Titel werden a.) nicht von nur einem Doktorvater vergeben und müßten b.) auch überprüft werden.
Wenn nicht, kann man sich die Titel und ihre vermeintliche Aussagekraft auch gleich sparen.