Wie oft macht man sich schon Gedanken über Sprache? Ich recht häufig. Es ist eines meiner Interessengebiete. Da ich in Island arbeite, habe ich das Glück, daß ich ständig mit Fremdsprachen konfrontiert bin – sei es nun Englisch oder eben Isländisch.
Wer hat sich beispielsweise schonmal Gedanken zum diesem Thema gemacht?: “hvað” im Isländischen bedeutet “was” … “eitt” ist die sächliche Form von “eins” – was bedeutet die zusammengesetzte Form “eitthvað”? Der Buchstabe Ð (Eth), bzw. ð, entspricht in etwa dem “th” im Englischen, ist aber stimmhaft. Für den stimmlosen th-Laut gibt es im Isländischen noch das Þ (Thorn), bzw. þ, welches manchem aus altenglischen Texten bekannt sein mag. Wenn Deutsche Englisch sprechen, kommt das “th” oft als s-Laut raus und das gibt hier schon eine gute Richtung vor, auch wenn dadurch der Deutschen Englisch oft affig klingt. Die Buchstabenkombination “hv” wird ungefähr ausgesprochen wie im Deutschen “qu”. Wenn wir nun noch wissen, daß im Deutschen das was im Isländischen “hv” ist zu einem “w” wird, haben wir die halbe Strecke zwischen Aussprache und Bedeutung von “eitthvað” schon geschafft. Der Isländer “hval” ist der Deutschen “Wal” … sprecht’s mal aus
Spaß beiseite! Zur Aussprache des ersten Teils von “eitthvað” müssen wir nun noch wissen, daß Doppellaute im Isländischen meist angehaucht werden. Das “ei” wird auch nicht wie im Deutschen als “a-i” ausgesprochen, dafür haben die Isländer den Buchstaben Æ, bzw. æ, sondern eher wie der Ausruf “eh” (in “Eh du!”). Es gibt also nur einen sehr kurzen und schwachen i-Laut in der ersten Silbe. Im echten Leben hört es sich an wie man nach deutschen Ausspracheregeln “ett” ausprechen würde. Na, schon erraten was “eitthvað” bedeutet? Nun, länger will ich es euch nicht vorenthalten, des Rätsels Lösung ist “etwas”, also wörtlich übertragen: “Ein Was”. Exakt die Bedeutung von “etwas”: irgendein unbestimmtes “Was” – und jetzt wissen wir auch, woher das “et-” im deutschen Wort herrührt, nämlich von “eins”. Hätte man’s erahnt?
Damit nicht genug. Einige der Parallelen zwischen unseren Sprachen sind wirklich frappierend. Das isländische Wort “vegur” bedeutet heutzutage “Straße” (bspw. in “Laugavegur“). Die Ähnlichkeit zum Wort “Weg” im Deutschen kann nicht bestritten werden und ein gemeinsamer Ursprung ist auch ohne großartige sprachwissenschaftliche Kenntnisse durchaus anzunehmen, genau wie man annehmen mag, daß das Isländische Wort “stígur” irgendwie mit “dem Steig” (bspw. in “Rennsteig”) verwandt ist. Wenn man jetzt noch eine gesunde Neugier besitzt und beispielsweise von der zweiten Lautverschiebung gehört hat, weiß man, daß der Germanen “þ” (ja, der Germanen Runenalphabet wird nach dessen ersten sechs Buchstaben sogar “fuþark” genannt) sich zu “d” entwickelt hat. Da die Isländer seit etwas mehr als eintausend Jahren ziemlich abgeschieden im Atlantik lebten, hat deren Sprache einige der Entwicklungen nicht mitgemacht wie sie in Kontinentaleuropa stattfanden. Der verlinkte Wikipedia-Artikel gibt unter anderem folgende Beispiele als Vergleich (Englisch zu Deutsch): thorn/Dorn, thistle/Distel, brother/Bruder. Sehr gut gewählte Beispiele, die ich nun noch durch zwei Isländische erweitern möchte.
Nachdem wir oben schon das Wort “hvað” (dt.: “was”) besprochen haben, kommen wir nun zu “hver”, was eben entsprechend der oben erwähnten Regel (Stichwort: Wal) zu “wer” wird. Auch in diesem Fall geht es uns um die Bedeutung als Fragewort und nicht um die Bedeutung in der das germanische Substantiv “Wer” (dt.: “Mann”) als Wortteil erhalten blieb: Werwolf (Mannwolf). Jeder erinnert sich hoffentlich noch dunkel an den Grammatikteil des Deutschunterrichts, wo wir alle die Fragewörter zu den entsprechenden Fällen kennengelernt haben?! Nominativ: wer? – Genitiv: wessen? – Dativ: wem? – Akkusativ: wen? …
Der Genitiv, im Isländischen als “eignafall” bezeichnet, kann manchmal in älteren deutschen Texten gekürzt angetroffen werden. Um ein künstliches Beispiel zu geben: “Wes Ding ist dies?”. Der “eignafall” von “hver” ist übrigens “hvers”, wobei, wie man sieht, das “r” im Wortstamm erhalten bleibt. Und jetzt gucken wir nochmal schnell in den Titel dieses Beitrags 😉
Weswegen? Þess vegna! … Hvers vegna? Deswegen! …
Ob der zweite Teil tatsächlich von “vegur”/”Weg” stammt, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, aber es liegt nahe. Selbst wenn dem nicht so sein sollte, scheinen die gleichen Regeln auch hier anwendbar zu sein – selbst wenn der Wortursprung nicht dem heutigen “Weg” entspricht. Sind das nicht erstaunliche Parallelen? Es geht noch weiter und hier hören die offensichtlichen Parallelen kurz auf: einhver (M), einhver (F), eitthvert/eitthvað (N). Die Sache, also das “Was” ist immer sächlich, daher auch nur dort die entsprechende Form. Für “Ein Wer”, also im modernen Deutsch “jemand”/”irgendjemand”, gibt es aber alle drei Formen für jedes grammatikalische Geschlecht. So kann man sich zusammenreimen, wie in alten Texten das Wort für “jemand” ausgesehen haben mag. Und bei den ersten beiden Formen wird auch klarer, daß das deutsche Zahlwort “eins” direkt mit den isländischen Pendants korreliert.
// Oliver
Hallo Oliver,
interessante Ausführungen. Sprachgeschichte finde ich auch immer spannend. Schön einfach nachzuvollziehen ist dies ja bei der Englischen Sprache.
Allerdings musst du aufpassen. Du darfst dich nicht zu sehr an der Schriftform orientieren, entscheidend ist immer noch die Aussprache. Die Schriftform kann nur unterstützend herangezogen werden. Dies gilt insbesondere im Englischen, wenn die Aussprache doch sehr von der Schriftform abweicht. Zum Beispiel die Buchstabenkombination “ght”. Nach dem William der Eroberer eine französische Oberschicht etabliert hatte, die natürlich auch die Verwaltung übernahm, mussten auch englische Namen und Begriffe niedergeschrieben werden. Nur leider hatten die Franzosen kein Zeichen für den “ch” Laut wie in dt. “Nacht”, den es damals noch in der englischen Sprache gab, deshalb haben sie die Buchstabenfolge “ght” eingeführt. Eigentlich müsste deshalb engl. “night” dt. “ni_ch_t” gesprochen werden. Und ein englischer Ritter ist eher ein Knicht (Knecht) – was übrigens auch mehr seiner Stellung gegenüber seinem Herren beschreibt.
Grüße Michael.
Wow. Und ich habe mir schon oft überlegt, wie man den C typ “char” ausspricht. Nach längerer Recherche habe ich diese Formen gefunden:
kar, kär, tschar, schar
kär (wie “care”) ist der Anfang vom “character”
Da ich mich nicht entscheiden kann, bilde ich eine weitere Fraktion und spreche es wie der Name der amerk. Künstlerin: Cher.
Nach reiflicher Überlegung ziehe ich Cher als Kandidat zurück bis die Künstlerin unbekannt geworden ist.