Zur Ethikunterricht-Debatte in Berlin

Als Brandenburger Schüler kam ich Mitte der 1990er in den Genuß des Modellversuches “LER-Unterricht” – LER steht für Lebensgestaltung, Ethik, Religion. Schon damals heulten die christlichen Kirchen auf, weil den Schülern ein Unterricht angeboten wurde, in dem verschiedene Religionen und eben nicht allein die christliche besprochen wurde. Schlimmer noch, wir verglichen sogar die verschiedenen Religionen, dank unserer LER-Lehrer. Das wird wohl nicht überall so der Fall gewesen sein.

Aktuell flammt in Berlin die Debatte über einen ähnlichen Unterricht, den Ethikunterricht, hoch. Die christlichen Kirchen können es nicht ertragen, daß in angestammten Gefilden andere Religionen unter ihren (potentiellen) “Schäflein” wildern. Daß das wenig christlich ist, muß nicht erwähnt werden. Im Konkurrenzkampf der Religionen ist für Nächstenliebe kein Platz. Ganz schlimm wird es dann, wenn diese Kirchen mit Sprüchen ala “Werte brauchen Gott” werben. Viel schlimmer kann die Provokation gegenüber Anders- und Nichtgläubigen fast schon nicht mehr sein. Schlimm genug, daß die Kirche sich – auch dank ihrer Handlanger in Form von CDU und CSU – in alle möglichen gesellschaftlichen Belange einmischen muß, nun wird offenbar mit solchen Sprüchen den Atheisten der Kampf angesagt. Ob dies eher ein Einfluß aus den christlich-fundamentalistischen (USA) oder aus den islamisch-fundamentalistischen Kreisen ist, bleibt dahingestellt.

Wenn man mich fragt, dürfte es weder einseitigen Religionsunterricht an Schulen, noch kirchliche Schulen überhaupt geben. Es ist ja nicht so, daß diese Schulen komplett von den Kirchen getragen würden, was zumindest einem Gegenargument den Wind aus den Segeln nähme. Stattdessen finanzieren Steuerzahler anderer Religionen und Atheisten die frühe Beeinflussung von jungen Menschen durch christliche Kirchen mit. Andererseits, wo bliebe der ganze Nachschub an CDU/CSU-Wählern, würde man den Religionsunterricht abschaffen. Es wäre doch einmal interessant wie groß das Interesse der Schüler am Religionsunterricht wäre, wenn sie bei ausgeglichenem Stundenpensum diesen außerhalb der Schulzeit “absitzen” müßten, anstatt ihn in der Schule runterzudösen?!

Ob man nun so radikale Ansichten gegenüber der christlichen Kirche vertritt wie ich (die kann ich gern zu einem anderen Zeitpunkt zum Besten geben), sollte dabei völlig belanglos sein. Religion – einseitig und von einer Institution vermittelt – hat an Schulen nichts verloren! Sprüche wie “Werte brauchen Gott” grenzen für mich an Volksverhetzung. Dem schwindenden Zulauf in die Kirchen versucht man mit Propaganda aus der untersten Schublade Herr zu werden … beispielsweise damit, daß man versucht die Einführung des Ethikunterrichts, den man offenbar als “Konkurrenzprodukt” wahrnimmt, zu torpedieren. Verständlich, weil es nämlich auf meine obige Frage hinausläuft: wie groß wird das Interesse noch sein, wenn Schüler den Religionsunterricht zusätzlich belegen müßten?

Berlin, welches früher zu Preußen gehörte und damit den gleichen aufklärerischen Geist wie Brandenburg in sich trägt, sollte den Ethikunterricht einführen. Für mich gibt es da keinerlei Fragen. Notfalls muß er mit rechtlichen Mitteln gegen die immernoch herrschende Macht der christlichen Kirchen durchgedrückt werden, damit wir vielleicht irgendwann in der Zukunft aufgeklärtere Generationen von Menschen in unserem Lande haben als die heute hier lebenden …

// Oliver

PS: Wie komme ich auf die christlich-fundamentalistischen Kreise? Wem es noch nicht aufgefallen sein sollte, die pseudo-wissenschaftlichen Theorien ala “Intelligent Design” und andere fundamentalistische Einflüsse aus den USA haben uns letztlich doch erreicht. Leute wie Thüringens CDU-Ministerpräsident Althaus hätten auch gegen eine Einführung solcher spinnerten Kirchenpropaganda in die Lehrpläne der Schulen nichts einzuwenden. Einer baldigen Ersetzung der Evolutionstheorie durch den Kreationismus in deutschen Schulen stünde dann ja nichts mehr im Wege …

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